1, 2 oder 3? 

Back to Basic im Mährischen Karst

  5 Minuten

Wann?August 2021
Wo?Tschechien, Jedovnice, Mährischer Karst
Was?SINGLETRAIL Moravský kras

Für warmes Wasser braucht man 20 Tschechische Kronen und ein Handtuch voll Glück. Recht viel mehr sollte man zum Duschen nicht mitbringen, weil in der Betonkoje keinerlei Ablagen für Kleidung oder Shampoo vorgesehen sind.

Komfortabler, wenngleich von stierenden Passanten begleitet, präsentiert sich da die Solardusche. Ein edler Begriff für einen schwarzen Plastikbeutel mit Gießkannenauslass, den man vorzugsweise an Ästen, Fahrzeugen oder am Vorzelt aufhängt. Hier empfiehlt sich dann biologisch unbedenkliches Shampoo, sodass man wenigstens mit rein-gespültem Gewissen den halben Campingplatz unter Wasser setzen kann.

Oder man tauscht die klassische Körperpflege gleich gegen eine Runde am Wakeboard. Mehrmaliges Abtauchen, Spritzwasser und Seegänge kombinieren praktisch alle Wasch- und Schrubb-Möglichkeiten und machen noch dazu viel mehr Spaß als die kalte Betonkoje.
Temperaturtechnisch kann ich keinen Nachteil erkennen: Die Temperatur des Olšovec-Sees ist auch ohne 20 Kronen nur minimal frischer als die "Warmwasserdusche".
Einzige Voraussetzung für diese Art der Körperpflege: Man hat nach einen Tag am Trail noch genügend Power, um sich am Holzstöckchen über den See schleifen zu lassen.

Egal ob 1, 2 oder 3 – egal, welches Reinigungsritual man/frau bevorzugt – es ist ohnehin nur Mittel zum Zweck. Zweck, den sandigen Trailstaub und die Schlammspritzer der hartnäckigen Wassertümpel von sich zu entfernen, bevor man beseelt in Bus/Zelt/Bett oder unter die Strandbar fällt, um den nächsten Tag mit der immer selben Frage zu starten: 1, 2 oder 3? 

Doch an diesem Morgen geht es am Campingplatz Olšovec im Örtchen Jedovnice im mährischen Karst nicht um die Dusch-Varianten. Es geht um Trail Nummer 1, 2 oder Nummer 3!
Ich starte also am Morgen mit Trail Nummer 1, dessen minimalistische Beschreibung auf flowige Passagen und fidele Hupferl hoffen lässt. Drei "Berge" werden in der digitalen Kurzbeschreibung angekündigt, die ich – abgesehen vom gemeinsamen Uphill zum Traileinstieg, im Auf und Ab des Waldes nicht mal bemerke.

Apropos Traileinstieg – dazu sollte man die minimalistischen 10 x 10 cm großen Schildchen auf Holzpfosten am wild bewachsenen Wegesrand ausfindig machen, auf denen sich kleine Symbole und eine Nummer tummeln. Ist also die minimalistisch gestaltete Beschilderung erst mal gesichtet, ist nach wenigen Pedalumdrehungen eines fix: So etwas findet man nicht alle Tage! Während am Campingplatz minütlich hunderte Leute mit Rädern aller Art und Altersklassen vorbeiziehen, ist der Wald scheinbar menschenleer. Wo sind sie alle, die Pfadritter des Campingplatzes?

Ich rolle, staune, springe den schmalen aber perfekte gepflegten Trail zwischen Moosflächen, Baumstämmen und mannshohen Grashalmen hindurch. Die Sonne trocknet den auf Rahmen, Beine und Gesicht spritzenden Matsch des nächtlichen Regengusses in Windeseile und lässt die hellbraune Paste schnell wieder abbröseln. 

Nach jeder Kurve rechne ich mit dem Trail-Ende, doch der Weg schlängelt sich und schlängelt sich immer weiter. Elf Kilometer sind es am Ende, die sich ein einziger Trail hier um den Hügel wickelt. 

Eine ganz kurze Runde hab ich angekündigt – schließlich sind wir ja im Pärchenurlaub und das Pärchenbärchen teilt die Bike-Leidenschaft halt so gar nicht. 

Doch einer muss noch sein! Ich schwinge mich wieder Richtung Traileinstieg und ballere Nummer 1 zum zweiten Mal hinunter, hinauf, den Hang entlang. Diesmal mit dem beschleunigenden Gefühl zu wissen, was kommt! Kein Lift, keine Straße, kein Konsum – nur Trails ohne Ende. 

Am nächsten Tag kann ich sogar Pärchenbärchen zu einer Runde überreden. Wir adaptieren sein Citybike, ich versuche Turnschuhe, Skatehelm, V-Brakes und Slicks zu ignorieren und wir steuern auf Trail Nummer 2 zu. Er wird immerhin "mit großem Anteil befestigter Straßen" angekündigt.

Erst mäandert ein flowiger Waldtrail recht flach durchs Hochplateau. Dann wandelt sich der weiche Waldpfad in einen staubtrockenen Südhang-Trail, der wie eine Achterbahn, auf und ab, Anleger in den porösen Sandboden zaubert. Die "befestigten Straßen" entpuppen sich als kleines Übersetzungs-Hoppala. Sorry!

Pärchenbärchen reicht's nach zwei Trails, glühenden Bremsbacken und einem klimpernden Citybike. Mir – erwartungsgemäß – noch lange nicht!
"Jeszcze jeden!" "Noch einen!" Ich schwing mich aufs Bike und verschwinde im menschenleeren Zauberwald. 1, 2 oder 3?


Über das Gebiet

Singletrail Moravsky Kras 

https://singlekras.cz/ 

Der Verein Singletrail Moravsky Kras (was übersetzt bedeutet "Singletrail Mährischer Karst") hat im tschechischen Jedovnice, ca. 40 Autominuten nördlich von Brünn sowie direkt östlich von Brünn eine Traillandschaft geschaffen, die trotz aller Pflege nicht künstlich wirkt. 

An der Basis in Jedovnice stehen Leihbikes, Werkzeug, Snacks und ein Pumptrack für den Bikenachwuchs bereit. Am Trailgelände selbst taucht man von Kopf bis Zehenspitzen in die Natur ein. Das Kalkgestein des Mährischen Karsts ist für jede Menge Höhlen und Kletterfelsen bekannt. Dass man hier vorzüglich biken kann, spricht sich bestimmt demnächst ebenso herum. 

Camp Olšovec 

Der Campingplatz ATC Olšovec Jedovnice ist die ideale Ausgangsbasis für ausgedehnte Trailrunden. Luxuriöse Wellnessoasen sucht man am kleinen Camping- und Zeltplatz jedoch vergeblich. Dafür bietet der See und das umliegende Landschaftsschutzgebiet Erholung und Entspannung pur, die man mit einem sehr günstigen "Pivo" oder einem vorzüglichen Burger noch toppen kann.


Bike-Post abonnieren

Möchtest du über Touren, Bike-Tipps, Reise-Träume und Termine am Laufenden bleiben? Dann abonniere doch ganz einfach die Bike-Post – unregelmäßig, aber frei Haus in deinen Maileingang!